16.12.2016 Alter: 7 yrs
Kategorie: Umweltrecht, BImSchG

Arbeitshilfe der LABO/LAWA zur Erstellung des AZB

Seit Inkrafttreten der Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen (IED) sind alle betroffenen Anlagen Europas verpflichtet, einen Bericht über den Ausgangszustand des Bodens und des Grundwassers (AZB) zu erstellen, sofern relevante gefährliche Stoffe (RGS) in der Anlage verwendet werden.


Ziel des AZB ist es, einen Grundwasser- und Bodenzustand festzulegen, der bei Außerbetriebnahme der Anlage wiederhergestellt werden muss.

In Deutschland wurde die Pflicht zur Erstellung eines AZB im Bundesimmissionsschutzgesetz verankert. Dabei regelt § 10 Abs. 1a BImSchG in Verbindung mit Anhang 1 der 4. BImSchV die Anwendungsbereiche bzw. die betroffenen Anlagen und § 4a Abs. 4 und 5 der 9. BImSchV den erforderlichen Umfang und Inhalt des Berichtes. Zur konkreten Umsetzung des AZB gibt die Gesetzgebung auf Bundesebene allerdings keinerlei Hinweise. Offene Fragen, z. B. zur Definition von Stoffrelevanz oder Festlegung des Ausgangszustandes, wurden den Ländern überlassen. Hierfür hat die Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO) in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) eine Arbeitshilfe entwickelt mit dem Ziel, sowohl Anlagenbetreibern als auch relevanten Fachbehörden einen Leitfaden zur Erstellung eines AZB zur Verfügung zu stellen.

Die LABO/LAWA-Arbeitshilfe bietet an vielen Stellen detaillierte und tiefgründige Hilfestellung, z. B. zum Umgang mit bereits vorliegenden Informationen oder zur Identifikation von relevanten gefährlichen Stoffen. Dennoch fehlen hier konkrete Angaben zu wichtigen Aspekten des Erstellungsprozesses, z. B. zur Identifikation von Untersuchungsparametern oder gar die Festlegung des Ausgangszustands.

Für die Festlegung von Untersuchungsparametern fordert die Arbeitshilfe quantitative und qualitative Aussagen mittels geeigneter und validierter Verfahren zu allen RGS. Zur Hilfestellung wird allerdings lediglich der Hinweis angeboten, dass Leit- und Summenparameter herangezogen werden können. Vorausgesetzt hierfür wird, dass die RGS Stoffe beinhalten, die unter Betrachtung der natürlichen Variabilität des Bodens und Grundwassers dauerhaft durch geeignete Parameter erkennbar sind. Das bedeutet unter anderem, dass Zersetzung bzw. biologischer Abbau oder die chemische Reaktion des Stoffes entweder nicht erfolgen oder messbare Zersetzungs-/Reaktionsprodukte liefern. Darüber hinaus müssen die für die Erkennung der Parameter geeigneten validierten Verfahren existieren.

Unsere Erfahrung zeigt, dass die beiden oben genannten Voraussetzungen oft nicht oder nur ansatzweise erfüllt werden können. Stellen Sie sich folgende Fallbeispiele vor:

Fallbeispiel 1 – Ethylenglycol (u. a. als Frostschutzmittel im Einsatz)

Ethylenglycol wird in vielen Anlagen in erheblichen Mengen gelagert und eingesetzt und könnte somit als RGS für einen AZB identifiziert werden. Ethylenglycol wird allerdings durch biologische Prozesse sehr schnell in Boden und Grundwasser zu CO2, H2O und N2 abgebaut. Diese Abbauprodukte sind Teil der natürlichen Kohlenstoff- und Stickstoffzyklen und unterliegen somit einer natürlichen und teils saisonalen Variabilität. Die Analyse des Stickstoffgehaltes des Bodens und des Grundwassers ist zwar leicht durchzuführen, aber eine Änderung des Gehalts über Jahrzehnte auf eine unbekannte Freisetzung von Ethylenglycol zurückzuführen, wäre praktisch unmöglich.

Fallbeispiel 2 – Tallöl

Viele Industriebranchen verwenden Tallöl als Klebstoff oder Leimungsmittel. Hierbei kommen ebenfalls Mengen zum Einsatz, die die Relevanzschwellenwerte der LABO/LAWA-Arbeitshilfe durchaus überschreiten könnten. Tallöl ist allerdings im Gegensatz zu Ethylenglycol nicht leicht biologisch abbaubar, sodass der Stoff selbst als Leitparameter für eine Verschmutzung des Bodens oder Grundwassers prinzipiell herangezogen werden könnte. Dabei ergeben sich jedoch zwei gravierende Probleme. Zum einen gibt es kein normiertes Verfahren zur Erkennung von Tallöl in Boden und Grundwasser; zum anderen ist Tallöl kein Reinstoff, sondern eine Mischung von Fettsäuren-Spezies mit verschiedenen Kohlenstoffzahlen, isomeren Formen und Grad der Hydrierung. Es wäre dem Ersteller des AZB überlassen, ein passendes Verfahren zu entwickeln. Sofern es sich nicht um einen Reinstoff handelt, der durch Methoden wie HPLC, Massenspektrometrie, Spektrofotometrie usw. relativ einfach zu untersuchen ist, wäre die Erstellung eines solchen Verfahrens ein unzumutbarer Aufwand.

Ähnliche Probleme treten bei der Analyse von Stoffen auf, die Teil der natürlichen Bodenbildung sind. Selbst bei einer homogenen Bodenverteilung muss von einer großen Schwankungsbreite der Werte zwischen den Probenahmepunkten ausgegangen werden. Somit ist die Festlegung eines quantifizierten Ausgangswertes für ein Grundstück oder sogar ein Teilgrundstück praktisch nicht realisierbar.

Fazit:

Die derzeit vorliegenden Leitfäden zur Erstellung eines AZB lassen viele Fragen offen. Bei der Erstellung des Berichtes bzw. der Durchführung der Untersuchungen muss genau überlegt werden, ob die Werte der Ergebnisse im Einklang mit den Kosten der Umsetzung stehen und ob die über Jahrzehnte ermittelten Werte tatsächlich auf eine Freisetzung des jeweiligen relevanten Gefahrstoffs zurückzuführen wären. Deshalb empfiehlt sich auch eine enge Abstimmung mit den zuständigen Behörden.

Robert Atkinson M.Sc., GUT


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